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public:bierwissen:geschichte [2025/05/25 11:35] – [Wann kam Bier nach "Deutschland"?] adminpublic:bierwissen:geschichte [2025/06/19 11:20] (aktuell) – [Getränk im Wandel] admin
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 Es ist anzumerken, dass den Römern das Bier als Getränk der Barbaren und der Wein als Zeichen der Zivilisation galt. Entsprechend ist die Darstellung der Germanen als Volk der Biertrinker durchaus abwertend zu verstehen. Es ist anzumerken, dass den Römern das Bier als Getränk der Barbaren und der Wein als Zeichen der Zivilisation galt. Entsprechend ist die Darstellung der Germanen als Volk der Biertrinker durchaus abwertend zu verstehen.
  
-Die Entwicklung hin zu Bier mit einer gewissen Ähnlichkeit zum gegenwärtigen Bier, begann in Deutschland vermutlich im frühen Mittelalter in den Klöstern, deren Namen auch heute noch für Bier stehen. Allen voran Weihenstephan, aber auch Andechs oder Weltenburg. Alle drei genannten Klöster sind übrigens Klöster des [[https://de.wikipedia.org/wiki/Benediktiner|Benediktinerordens]]; woher wohl deren Affinität zum Bier stammt? "Ora et labora et lege" -- (bete, arbeite und lies) gilt als Motto benediktinischer Lebensweisemeiner Ansicht nach fehlt da was. (Die nicht ganz unbekannte Biermarke "Benediktiner" gehört allerdings zu keinem der zuvor genannten, sondern zum Kloster Ettal, natürlich auch ein Benediktiner-Kloster.)+Die Entwicklung hin zu Bier mit einer gewissen Ähnlichkeit zum gegenwärtigen Bier, begann in Deutschland vermutlich im frühen Mittelalter in den Klöstern, deren Namen auch heute noch für Bier stehen. Allen voran Weihenstephan, aber auch Andechs oder Weltenburg. Alle drei genannten Klöster sind übrigens Klöster des [[https://de.wikipedia.org/wiki/Benediktiner|Benediktinerordens]]; woher wohl deren Affinität zum Bier stammt? "Ora et labora et lege" -- (bete, arbeite und lies) gilt als Motto benediktinischer Lebensweisemeiner Ansicht nach fehlt da was. (Die nicht ganz unbekannte Biermarke "Benediktiner" gehört allerdings zu keinem der zuvor genannten, sondern zum Kloster Ettal, natürlich auch ein Benediktiner-Kloster.)
  
 Das Kloster Weihenstephan wurde im Jahr 727 n. Chr. gegründet, eigener Hopfenanbau ist bereits für das Jahr 768 n. Chr. verbrieft. D.h. irgendwann dazwischen wurde in Weihenstephan mit dem Bier brauen begonnen, Weihenstephan gilt heute als älteste, durchgängig bestehende Brauerei. Das Kloster Weihenstephan wurde im Jahr 727 n. Chr. gegründet, eigener Hopfenanbau ist bereits für das Jahr 768 n. Chr. verbrieft. D.h. irgendwann dazwischen wurde in Weihenstephan mit dem Bier brauen begonnen, Weihenstephan gilt heute als älteste, durchgängig bestehende Brauerei.
  
-Als Bindeglied zwischen der Antike und den Regionen in denen zu dieser Zeit Bier gebraut wurde und den Brauaktivitäten der Germanen dürften die Kelten gewesen sein, deren Siedlungsgebiet Teile des heutigen Frankreichs, Belgiens, Deutschlands aber auch der Britischen Inseln war. In keltischen Siedlungen im Bereich des heutigen Frankreichs wurde jüngeren Erkenntnissen nach bereits im 5. Jhdt. vor Christus Bier gebraut. Die sehr weitreichenden Handelsbeziehungen der Kelten könnten für die Einführung des Bieres in Mitteleuropa ursächlich sein. Die Kelten verwendeten scheinbar damals schon ausschließlich Gerste zur Bierherstellung und ihre Techniken zum Mälzen waren denen des Mittelalters hier in Deutschland weit voraus. Sie verwendeten speziell zum Darren entwickelte Lehmöfen, die mit Holzkohle befeuert wurden. Deren Resultat waren vermutlich deutlich hellere und weit weniger rauchige Malze als später hier im Mittelalter üblich.+Als Bindeglied zwischen der Antike und den Regionen in denen zu dieser Zeit Bier gebraut wurde und den Brauaktivitäten der Germanen dürften die Kelten gewesen sein, deren Siedlungsgebiet Teile des heutigen Frankreichs, Belgiens, Deutschlands aber auch der Britischen Inseln war. In keltischen Siedlungen im Bereich des heutigen Frankreichs wurde jüngeren Erkenntnissen nach bereits im 5. Jhdt. vor Christus Bier gebraut. Die sehr weitreichenden Handelsbeziehungen der Kelten könnten für die Einführung des Bieres in Mitteleuropa ursächlich sein. Die Kelten verwendeten scheinbar damals schon hauptsächlich Gerste zur Bierherstellung und ihre Techniken zum Mälzen waren denen des Mittelalters hier in Deutschland weit voraus. Sie verwendeten speziell zum Darren entwickelte Lehmöfen, die mit Holzkohle befeuert wurden. Deren Resultat waren vermutlich deutlich hellere und weit weniger rauchige Malze als später hier im Mittelalter üblich.
 ===== Bier statt Wasser ===== ===== Bier statt Wasser =====
  
 Dass Bier bereits im Altertum und dem Mittelalter als Grundnahrungsmittel galt hat einen einfachen Grund. Wasser in den Siedlungen und Städten der Menschheit war meist alles andere als trinkbar. Es war stark verschmutzt und mit Bakterien überfrachtet. Es zu trinken war schlicht ein Gesundheitsrisiko. Dass Bier bereits im Altertum und dem Mittelalter als Grundnahrungsmittel galt hat einen einfachen Grund. Wasser in den Siedlungen und Städten der Menschheit war meist alles andere als trinkbar. Es war stark verschmutzt und mit Bakterien überfrachtet. Es zu trinken war schlicht ein Gesundheitsrisiko.
  
-Wurde es zur Bierherstellung genutzt, sorgte das Kochen und der Alkohol des Bieres desinfizierend. Das "Wasser" wurde trinkbar. Biere dieser Zeiten die quasi von Morgens bis Abends in jedem Alter getrunken wurden hatten allerdings nur 1% bis 2% Alkohol, anders hätte der Pyramidenbau auch kaum funktioniert. Hopfen, wie er ab dem Mittelalter zugegeben wurde wirkt ebenfalls antibakteriell.+Wurde es zur Bierherstellung genutzt, wirkt das Kochen und der Alkohol des Bieres desinfizierend. Das "Wasser" wurde trinkbar. Biere dieser Zeiten die quasi von Morgens bis Abends in jedem Alter getrunken wurdenhatten allerdings nur 1% bis 2% Alkohol, anders hätte der Pyramidenbau auch kaum funktioniert. Hopfen, wie er ab dem Mittelalter zugegeben wurde wirkt ebenfalls antibakteriell.
  
 ===== Getränk im Wandel ===== ===== Getränk im Wandel =====
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 Im Europa des Mittelalters wurde Getreide für die Bierherstellung natürlich auch gemälzt, allerdings fand das Darren über offenem Feuer bzw. Rauch statt, woraus folgt, dass die Biere des Mittelalters dem heutigen Bamberger Rauchbier ähnlich waren.{{ :public:bierwissen:rauchbier.jpg?600 |Rauchbier}} Im Europa des Mittelalters wurde Getreide für die Bierherstellung natürlich auch gemälzt, allerdings fand das Darren über offenem Feuer bzw. Rauch statt, woraus folgt, dass die Biere des Mittelalters dem heutigen Bamberger Rauchbier ähnlich waren.{{ :public:bierwissen:rauchbier.jpg?600 |Rauchbier}}
  
-In Nürnberg gelang es bereits im 12-13 Jh. Biere rötlicher Farbe zu Brauen. Schon damals wurde in Nürnberg auf reines Gerstenmalz und Hopfen als Zutaten gesetzt. Helle Biere wurden wohl erstmals in Schottland gebraut. +In Nürnberg gelang es bereits im 12-13 Jh. Biere rötlicher Farbe zu Brauen. Schon damals wurde in Nürnberg auf reines Gerstenmalz und Hopfen als Zutaten gesetzt. Wirklich helle Biere wurden neuzeitlich wohl erstmals in Schottland gebraut. 
  
-Tatsächlich beherrschten noch früher bereits die Kelten die Herstellung hellerer Malze, entsprechende Öfen zum Darren sind wissenschaftlich nachgewiesen. Allerdings ist dieses Wissen mit den Kelten auch wieder verschwunden. Archäologen konnten nachweisen, dass die Kelten für Ihr Bier Zutaten wie spezielle Braugerste, Roggen, Hafer, Hirse sowie Beifußkraut anstelle von Hopfen und Möhrensamen als Gewürze nutzten. Die Gerste wurde vermälzt, während die anderen Getreide als Rohfrucht beigegeben wurden. Es wurde wie in der Frühzeit üblich obergärig gebraut und parallel zur alkoholischen Gärung lief auch eine Milchsäuregärung ab. Das dürfte die keltischen Biere geschmacklich eher in die Richtung heutiger Sauerbiere wie Berliner Weiße oder Leipziger Gose gerückt haben. +Tatsächlich beherrschten noch früher bereits die Kelten die Herstellung hellerer Malze, entsprechende mit Holzkohle betriebene Lehmöfen zum Darren sind wissenschaftlich nachgewiesen. Allerdings ist dieses Wissen mit den Kelten auch wieder verschwunden. Archäologen konnten nachweisen, dass die Kelten für Ihr Bier Zutaten wie spezielle Braugerste, Roggen, Hafer, Hirse sowie Beifußkraut -- anstelle von Hopfen -- und Möhrensamen als Gewürze nutzten. Die Gerste wurde vermälzt, während die anderen Getreide als Rohfrucht beigegeben wurden. Es wurdewie in der Frühzeit üblichobergärig gebraut und parallel zur alkoholischen Gärung lief auch eine Milchsäuregärung ab. Das dürfte die keltischen Biere geschmacklich eher in die Richtung heutiger Sauerbiere wie Berliner Weiße oder Leipziger Gose gerückt haben. 
  
-Anders als in der Neuzeit wurde Bier von der Antike bis zum Mittelalter überwiegend in Holzkesseln gebraut, was sich ebenfalls auf den Geschmack ausgewirkt haben dürfte. Kupfer- und Edelstahlkessel verhalten sich bezogen auf den Geschmack neutral.+Anders als in der Neuzeit wurde Bier von der Antike bis zum Mittelalter überwiegend in Holzkesseln gebraut, was sich ebenfalls auf den Geschmack ausgewirkt haben dürfte. Kupfer- und Edelstahlkessel verhalten sich bezogen auf den Geschmack neutral.\\ 
 +Auch lassen sich Holzkessel nicht dadurch beheizen, dass man sie über ein Feuer stellt. Statt dessen wurden Steine im Feuer erhitzt und in die Holzkessel gegeben um die Bierwürze zu kochen. Das hat ebenfalls einen Effekt auf den Geschmack des Bieres. An den sehr heißen Oberflächen der Kochsteine karamellisiert ein Teil des Zuckers aus der Würze und gibt dem Bier ein leicht karamelliges Aroma. Diese Technik wird zum Teil heute noch genutzt.
  
 Der Brauer [[https://de.wikipedia.org/wiki/Anton_Dreher_senior|Anton Dreher]] aus Österreich lernte 1833 auf einer Studienreise durch England und Schottland die Herstellung rauchfrei über glühendem Koks gedarrter, also heller Malze und brachte damit die Möglichkeit helle Biere zu brauen mit aufs Festland. Auf ihn geht das „Wiener Malz“ zurück und damit bernsteinfarbene Biere. Der Brauer [[https://de.wikipedia.org/wiki/Anton_Dreher_senior|Anton Dreher]] aus Österreich lernte 1833 auf einer Studienreise durch England und Schottland die Herstellung rauchfrei über glühendem Koks gedarrter, also heller Malze und brachte damit die Möglichkeit helle Biere zu brauen mit aufs Festland. Auf ihn geht das „Wiener Malz“ zurück und damit bernsteinfarbene Biere.
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 +In England und Schottland wurde vornehmlich obergärig gebraut die dortigen "hellen" Biere waren die ursprünglichen Pale Ales. Ist schon witzig, dass die hellen, meist untergärigen Bierstile hier auf dem Kontinent, also Pils, Export, Bayrisch Hell usw. ihre Wurzeln beim Pale Ale haben. Also dem Bierstil dessen moderne Interpretation sich vor allem bei Craftbeer Brauern allergrößter Beliebtheit erfreut.
  
 Noch hellere Biere wurde Ende des 19. Jh. zunächst in Pilsen und dann in Norddeutschland gebraut. Das heutige „Münchner Hell“ galt als Antwort auf den Siegeszug des Pils. Noch hellere Biere wurde Ende des 19. Jh. zunächst in Pilsen und dann in Norddeutschland gebraut. Das heutige „Münchner Hell“ galt als Antwort auf den Siegeszug des Pils.
  
-Mit dem Reinheitsgebot verschwanden die merkwürdigsten Zutaten aus den mittelalterlichen Bieren. Vorher gehörten [[https://de.wikipedia.org/wiki/Stech%C3%A4pfel|Stechapfel]], [[https://de.wikipedia.org/wiki/Tollkirschen|Tollkirsche]], [[https://de.wikipedia.org/wiki/Bilsenkr%C3%A4uter|Bilsenkraut]] und andere Kräuter wie beispielsweise [[https://de.wikipedia.org/wiki/Gagelstrauch|Gagel]], [[https://de.wikipedia.org/wiki/Myrte|Myrte]], [[https://de.wikipedia.org/wiki/Johanniskr%C3%A4uter|Johanniskraut]] oder [[https://de.wikipedia.org/wiki/Gemeiner_Wacholder|Wacholder]] zu den teils giftigen und/oder psychoaktiven Zutaten. Auch mit Eichenrinde wurde Bier gewürzt. Dies auf Hopfen als Biergewürz zu reduzieren prägte erst den Geschmack den wir heute als Bier anerkennen.+Mit dem Reinheitsgebot verschwanden die merkwürdigsten Zutaten aus den mittelalterlichen Bieren. Vorher gehörten [[https://de.wikipedia.org/wiki/Stech%C3%A4pfel|Stechapfel]], [[https://de.wikipedia.org/wiki/Tollkirschen|Tollkirsche]], [[https://de.wikipedia.org/wiki/Bilsenkr%C3%A4uter|Bilsenkraut]] und andere Kräuter wie beispielsweise [[https://de.wikipedia.org/wiki/Beifu%C3%9F|Beifuß]], [[https://de.wikipedia.org/wiki/Gagelstrauch|Gagel]], [[https://de.wikipedia.org/wiki/Myrte|Myrte]], [[https://de.wikipedia.org/wiki/Johanniskr%C3%A4uter|Johanniskraut]] oder [[https://de.wikipedia.org/wiki/Gemeiner_Wacholder|Wacholder]] zu den teils giftigen und/oder psychoaktiven Zutaten. (-> [[https://de.wikipedia.org/wiki/Grut_(Bier)|Grut-Bier]].) Auch mit Eichenrinde wurde Bier gewürzt.\\ Erst die Reduktion auf Hopfen als Biergewürz prägte den Geschmack den wir heute als Bier identifizieren.
  
 ===== Frauen und Bier ===== ===== Frauen und Bier =====
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 Bei den Wikingern war das Brauen sogar ausschließlich Frauen erlaubt. Bei den Wikingern war das Brauen sogar ausschließlich Frauen erlaubt.
  
-Es war [[https://de.wikipedia.org/wiki/Hildegard_von_Bingen|Hildegard von Bingen]], die im 12. Jahrhundert als erste öffentlich die Verwendung von Hopfen zum Bierbrauen empfahl. Dessen Siegeszug als elementare Bierzutat dürfte vermutlich daran liegen, dass er mit seiner antibakteriellen Wirkung das Bier deutlich haltbarer machte. Von Bakterien dürfte Hildegard von Bingen noch nichts gewusst haben, dass Hopfen die Haltbarkeit verbessert war aber reine Beobachtungssache.+Es war [[https://de.wikipedia.org/wiki/Hildegard_von_Bingen|Hildegard von Bingen]], die im 12. Jahrhundert als erste öffentlich die ausschließliche Verwendung von Hopfen als Biergewürz empfahl. Dessen Siegeszug als elementare Bierzutat dürfte vermutlich daran liegen, dass er mit seiner antibakteriellen Wirkung das Bier deutlich haltbarer machte. Von Bakterien dürfte Hildegard von Bingen noch nichts gewusst haben, dass Hopfen die Haltbarkeit verbessert war aber reine Beobachtungssache.
  
 Bier wurde natürlich auch auf Märkten verkauft, Abbildungen davon zeigen Frauen mit spitzen Hüten, die in Kesseln rührten. Ebenfalls oft auf den Abbildungen waren Katzen und ein sechszackiger Stern (Brauerstern) − der eigentlich als Zunftzeichen für qualitativ gutes Bier gilt. Diese Abbildungen rückten brauende Frauen in eine bestimmte Richtung: Hexerei. Bier wurde natürlich auch auf Märkten verkauft, Abbildungen davon zeigen Frauen mit spitzen Hüten, die in Kesseln rührten. Ebenfalls oft auf den Abbildungen waren Katzen und ein sechszackiger Stern (Brauerstern) − der eigentlich als Zunftzeichen für qualitativ gutes Bier gilt. Diese Abbildungen rückten brauende Frauen in eine bestimmte Richtung: Hexerei.
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