Das Reinheitsgebot ist so etwas wie ein Glaubensgrundsatz deutscher Bierbrauer. Es stammt aus dem Jahr 1516. Der Text im Original:
„Item wir ordnen / setzen / und wöllen mit Rathe unnser Lanndtschaft / das füran allennthalben in dem Fürstenthumb Bayren / auf dem Lannde / auch in unnsern Stetten und Märckthen / da deßhalb hieuor kain sonndere Ordnung ist / von Michaelis bis auff Georij / ain Mass oder Kopfpiers über ainen Pfenning Müncher Werung / unnd von Sant Jörgentag / bis auff Michaelis / die mass über zwen Pfenning derselben Werung / unnd derennden der Kopf ist / über drey Haller / bey nach- gesetzter Pene / nicht gegeben noch außgeschennckht sol werden. Wo auch ainer nit Merzen / sonder annder Pier prawen / oder sonnst haben würde / sol Er doch das / kains wegs höher / dann die maß umb ainen Pfenning schennckhen / und verkauffen. Wir wöllen auch sonnderlichen / das füran allenthalben in unsern Stetten / Märckthen / unnd auf dem Lannde / zu kainem Pier / merer Stuckh / dann allain Gersten / Hopffen / und Wasser / genomen unnd gepraucht sölle werden. Welher aber dise unnsere Ordnung wissentlich überfaren unnd nit hallten würde / dem sol von seiner Gerichtzöbrigkait / dasselbig vas Pier / zuestraff unnachläßlich / so offt es geschicht / genomen werden. Jedoch wo ain Geüwirt von ainem Pierprewen in unnsern Stettn / Märckten / oder aufm Lande / yezuezeyten ainen Emer Piers / zwen oder drey / kauffen / und wider unntter den gemainen Pawzsuolck ausschennckhen würde / demselbenn allain / aber sonnst nyemandts / sol die mass / oder der kopff piers / umb ainen haller höher dann oben gesetzt ist / zegeben / unnd außzeschennckhen erlaubt unnd unuerpotten sein.“
Bezüglich der Zutaten besagt es, dass lediglich Gerste, Hopfen und Wasser zugelassen sind (Von Hefe wusste damals noch niemand etwas). Diese Verordnung war keinesfalls die erste Ihrer Art. Unter anderen hatten die Städte Augsburg (12. Jh.) und Nürnberg (14. Jh.) ähnliche Verordnungen.
Ziele der Verordnungen waren vor allem den Weizen allein den Bäckern vorzuhalten, giftige bzw. ungenießbare Inhaltsstoffe (z.B.: Stechapfel oder Tollkirsche) zu verhindern und den Bierpreis zu regeln.
Schon kurze Zeit später wurden wieder weitere Zutaten zugelassen, Koriander und Lorbeer (1551), Salz, Wacholder und Kümmel (1616). 1548 wurde dem Freiherrn von Degenberg das Brauen von Weizenbier gestattet.
All das bezog sich lediglich auf das Fürstentum Bayern.
Die Rolle rückwärts, hin zu „Malz“, Hopfen Wasser und Hefe als zulässige Zutaten erfolgte erst im 19. Jh. Im 20 Jh, genauer 1993 ist das Reinheitsgebot in das „Vorläufige Biergesetz“ aufgenommen worden.
Darin heisst es:
Diese Regeln sind heute als das „Deutsche Reinheitsgebot“ bekannt, und gelten nicht in Bayern. Dort wird eher am ursprünglichen Text festgehalten. Die genannten Zucker und Farbstoffe sind dort nicht zulässig, auch nicht beim Export der Biere.
Ein „Deutsches Reinheitsgebot von 1516“ wie auf vielen Etiketten aufgedruckt gibt es genaugenommen gar nicht.
Das „Vorläufige Biergesetz“ erlaubt allerlei Hintertürchen. Es erlaubt beispielsweise die Zugabe des Kunststoffes Polyvinylpyrrolidon (PVPP) in Form eines Mikrogranulats um die Filtration des Bieres zu erleichtern. Die Begründung: Nach dem Filtern es es ja im Bier nicht mehr enthalten. Diese Logik erlaubt den Brauereien vermutlich eine Reihe von Tricks und degradiert das Reinheitsgebot zu einem reinen Marketing Slogan. Hinzu kommt die Verwendung von Zuckercouleur um Bieren die richtige und vor allem auf immer gleiche Farbe zu geben. Schlussendlich wäre das eine Täuschung der Verbraucher. Dazu sagt der deutsche Brauerverband: Die Verwendung von Zucker und aus Zucker hergestellten färbenden Substanzen wie Zuckercouleur sei nach geltendem Recht ausschließlich bei obergärigen Bieren erlaubt, käme aber „nur bei einigen wenigen regionalen Spezialitäten zum Einsatz“. Weiter wird ausgeführt, das diese Biere auf dem deutschen Markt kaum eine Rolle spielen. Könnte man auch so interpretieren, dass bei eigentlich hochwertigen Spezialitäten, die in der Herstellung kostspieliger sind, deshalb getrickst werden darf, da es sich ja um Nischenprodukte handelt und es somit kaum auffällt.
Der Reinheit dienlich wäre beispielsweise eine Regel, die etwa nur „natürliche“ Zusätze erlaubt. Dem ist natürlich nicht so.
Damit öffnet die gegenwärtige Gesetzgebung Brauereien reichlich Möglichkeiten zu tricksen und verhindert auf der anderen Seite eine kreative Entwicklung neuer Biere bzw. Bierstile. Das nutzt den großen industriell arbeitenden Brauereien mit ihrem Festhalten an austauschbaren Einheitsbieren und schadet kleinen Brauereien, die Bier gerne neu denken wollen.
Fassen wir zusammen. Das echte Reinheitsgebot von 1516 hat keinerlei gesetzlichen Charakter, ist also für niemanden bindend. Das an seine Stelle getretene „Vorläufige Biergesetz“ bietet reichlich Raum für Tricksereien. Diese Möglichkeiten werden von den großen Brauereien reichlich ausgeschöpft und gelegentlich wird dabei auch über die Stränge geschlagen. Zu tricksen, Kennzeichnungspflichten zu ignorieren und dennoch mit dem Reinheitsgebot von 1516 zu werben, ist vor allem eines: Verbrauchertäuschung!
Weltweit verliert die große Biernation Deutschland den Anschluss, in internationalen Wettbewerben gewinnen deutsche Großbrauereien kaum noch einen Blumentopf. Die kleinen kreativen hingegen schon, leider müssen diese sich dem Vorwurf erwehren gegen das Reinheitsgebot zu verstoßen obwohl sie kein Plastik ins Bier werfen, höchstens Erdbeeren
Zu BRAUmit e.V.: Wir beachten das Reinheitsgebot. Ausgenommen wir brauen etwas Spezielles, wie beispielsweise das Honigbier an dessen Rezept wir gerade arbeiten. Klar, dass es für ein Honigbier auch Honig braucht. Wenn wir derartiges machen, verwenden wir aber ausschließlich natürliche Zutaten. Auch werden wir immer klar sagen, was im Glas ist!